Im zweiten Artikel unserer Bundesländer-Serie berichtet Masihne Rasuli aus Sachsen von einem halben Jahr FÖJ mit Alpakas:
Viele Gleichaltrige kennen das Problem:
Der Schulabschluss steht vor der Tür, die Zukunft will geplant werden und zwischen Lernstress und Feierstimmung setzt hektische Eigenanalytik ein. Wo soll der Weg hinführen – Ausland, Studium, Ausbildung? Wie soll man bei dem breiten Angebot der heutigen Zeit die richtige Entscheidung für den weiteren Lebensweg treffen?
Als bei mir diese Phase einsetzte, wusste ich nur so viel: Ich würde für ein Jahr vom Pauken aussetzen und mal etwas völlig Neues wagen.
Vom Freiwilligen Ökologischen Jahr hatte ich schon gehört – ein Freiwilligendienst für Jugendliche zwischen 16 und 26 Jahren, die für die Dauer von 12 Monaten im Bereich Natur- und Umweltschutz gemeinnützige Arbeit leisten. Die Bandbreite der Einsatzstellen reicht dabei von Umweltzentren, Betrieben des ökologischen Landbaus oder der Landschaftspflege und Tierheimen bis hin zu pädagogischen Einrichtungen und Forstbetrieben.
Träger des FÖJ können ökologische Stiftungen und Vereine, aber auch Bildungszentren oder Jugendämter sein. Sie übernehmen für die Dauer des Einsatzes die soziale Absicherung der Jugendlichen und stellen ein Taschengeld plus eine Aufwandsentschädigung von insgesamt durchschnittlich 280,- € pro Monat zur Verfügung.
Nachdem ich die Rahmenbedingungen für das FÖJ gründlich recherchiert hatte, stand für mich schnell fest, dass diese Option genau meinen Vorstellungen entsprach – ich würde ein Jahr lang sinnvolle ökologische Arbeit leisten und hätte noch etwas Zeit für die Wahl meines zukünftigen Studienfaches!
Zu meiner EST kam ich dann durch reinen Zufall – auf einem FÖJ- Flyer fielen mir sofort die Alpakas von Romy und Fritz ins Auge! Nach einem ersten Telefonat wurde ich direkt zur Hofbesichtigung auf die „Traumweide Oberwiesenthal“ eingeladen. Da ich zuvor noch nie mit Alpakas zu tun gehabt hatte, begab ich mich damit auf völlig unbekanntes Terrain. Aber Romy und Fritz empfingen mich sehr nett und der erste Kontakt zu den Tieren stellte eine absolut einmalige Erfahrung für mich dar, sodass wir uns schnell einig wurden, das „Experiment FÖJ“ zu wagen – denn auch für meine beiden Chefs war es die erste Saison als FÖJ- Einsatzstelle.
Inzwischen bin ich seit einem halben Jahr auf der Oberwiesenthaler „Alm“ und habe meine Entscheidung nicht bereut. Die Arbeit mit den Alpakas macht Riesenspaß und hält jeden Tag neue Überraschungen bereit. Die Tiere sind von ihrem Charakter her so angenehm und individuell verschieden, dass der Kontakt zu ihnen immer aufs Neue spannend ist. Natürlich besteht ein Großteil der Aufgaben aus Ausmisten, Saubermachen und – Ausmisten. Aber die frische Luft, die Bewegung und die wunderschöne Landschaft des Erzgebirges rund um den Fichtelberg sowie die Frohnatur „meiner“ Alpis kompensieren das mit Leichtigkeit.
Ansonsten bietet die Traumweide ein breit gefächertes Tätigkeitsfeld. So müssen z. B. Kotproben fürs Labor gesammelt, Futtergras geschnitten, Besucher betreut oder Show- Vliese vorbereitet werden. Außerdem gehören zum Hof noch eine Herde Schafe, eine Bio- Forellenzucht und ein großes Ferienhaus, das an Urlauber vermietet wird – auch dies zählt zu meinem Einsatzbereich.
Besonderer Höhepunkte waren bis jetzt die ZEP und der Alpakastammtisch Ost bei uns Anfang Oktober sowie der Weidenabtrieb im Dezember. Und weitere große Ereignisse werfen ihren Schatten voraus: Im April startet die Fohlensaison, es folgen der Frühjahrsstammtisch und die Schur der Alpakaherde. Ich freue mich schon jetzt auf die kommenden Monate und kann noch gar nicht richtig fassen, dass eine Hälfte des FÖJ schon hinter mir liegt!
Ich möchte aber auch noch erwähnen, dass nicht alle Arbeitsstunden in der EST geleistet werden. Fünfmal im Jahr finden einwöchige Seminare statt, bei denen sich alle FÖJler eines Trägers und deren pädagogische Betreuer treffen, um gemeinsam an selbst gewählten ökologischen Themen und Projekten zu arbeiten. Vorträge, Diskussionsrunden, Exkursionen sowie praktische Einsätze und der Austausch mit meinen gleichaltrigen „Kollegen“ machen die Seminarwochen ebenso lehrreich wie lustig und somit zu einer angenehmen Pflicht. Als Sprecherin meiner Seminargruppe habe ich außerdem die Möglichkeit, auf Landesebene aktiv das FÖJ- Projekt mitzugestalten, u. a. durch die Organisation des FÖJ- Landesaktionstages, welcher 2012 sachsenweit am 4. Mai stattfindet.
Bei so viel Abwechslung vergeht die Zeit wie im Fluge! Für mich ist es immer wieder unglaublich, wie sehr ich in den letzten sechs Monaten meinen Horizont erweitern konnte – durch neue Erfahrungen, Bekanntschaften und frisch erworbenes Wissen. Für mich sehr wichtig:
Einsatzstelle und Freiwilliger pflegen kein einseitiges Verhältnis, sondern profitieren immer voneinander, von daher kann ich das FÖJ sowohl potenziellen EST als auch möglichen Teilnehmern nur ans Herz legen – erst recht, falls überall eine so entspannte und freundliche Atmosphäre herrschen sollte, wie auf der „Traumweide“ bei Romy und Fritz!
Masihne Rasuli (18)
Mehr zum FÖJ in Sachsen gibt es unter www.das-foej.de!